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Abstract

Die Aufbau- und Resilienzfazilität (ARF) ist in den Rahmen des Europäischen Semesters für die Koordinierung der Wirtschafts- und Sozialpolitik integriert. Er ist der Eckpfeiler des NextGenerationEU-Pakets und stellt den Mitgliedstaaten Mittel für die Umsetzung der Reformen und Investitionen in ihren Aufbau- und Resilienzplänen bis Ende 2026 zur Verfügung. 

In diesem Bericht wird der Umfang und die Qualität der Einbeziehung der Sozialpartner in das Europäische Semester und die Aufbau- und Resilienzfazilität untersucht. Es wird der Frage nachgegangen, wie die Sozialpartner in die Gestaltung und Umsetzung der nationalen Aufbau- und Resilienzpläne eingebunden wurden und wie zufrieden sie mit dieser Einbindung waren. Außerdem sollen allgemeine Trends bei der Umsetzung der nationalen Pläne ermittelt werden, wobei ein besonderer Schwerpunkt auf Maßnahmen im Bereich der Sozialpolitik liegt. Die Einbeziehung der Sozialpartner wurde mit der Annahme eines neuen Rahmens für die wirtschaftspolitische Steuerung im April 2024 in den Vordergrund gerückt, mit dem nationale mittelfristige haushaltspolitische Strukturpläne eingeführt wurden, zu denen die Sozialpartner konsultiert werden müssen.

Key messages

  • In Mitgliedstaaten, die über einen starken Rahmen für den sozialen Dialog verfügen, geben die Sozialpartner an, dass sie mit ihrer Beteiligung am Europäischen Semester und der Gestaltung und Umsetzung von Konjunktur- und Resilienzplänen mäßig zufrieden sind. In vielen anderen Mitgliedstaaten sehen die Sozialpartner ihre Beteiligung jedoch einfach als eine Pro-Forma-Maßnahme an, wobei sie auf unzureichende Zeit für einen sinnvollen Austausch und unzureichende Vorabinformationen verweisen.
     
  • Der Anteil der Sozialausgaben in den nationalen Aufbau- und Resilienzplänen variiert stark von unter 5 % in Dänemark und Luxemburg bis zu rund 40 % in Frankreich, Portugal, der Slowakei und Schweden.
     
  • Die Verbesserung der Qualität der Beteiligung der Sozialpartner ist von entscheidender Bedeutung für die Maximierung der Mittel des Aufbauintruments NextGenerationEU, indem Investitionen auf die wichtigsten Wirtschaftssektoren ausgerichtet werden und eine starke soziale Dimension in den doppelten Übergang einbezogen wird.
     
  • Der Rahmen für die wirtschaftspolitische Steuerung vom April 2024 hat bei den Sozialpartnern Besorgnis ausgelöst. Einige äußerten die Befürchtung, dass die vorübergehende Ausnahmeregelung, die es den Mitgliedstaaten erlaubt, bei der Erstellung der nationalen mittelfristigen Finanz- und Strukturpläne nur freiwillige Konsultationen durchzuführen, ein negatives Signal an die Mitgliedstaaten aussenden könnte.
     
  • Angesichts der derzeitigen geopolitischen Unsicherheit in der EU und anderer Herausforderungen wie des demografischen Wandels ist die wirksame Einbindung der Sozialpartner von entscheidender Bedeutung, um Legitimität, Eigenverantwortung und den Erfolg der politischen Maßnahmen zur Bewältigung dieser Veränderungen sicherzustellen.
     

Executive summary

Eurofound überwacht und erstellt seit 2016 jährliche Berichte über die Beteiligung der nationalen Sozialpartner am Europäischen Semester. Dieser Bericht setzt die Reihe fort und befasst sich mit der Qualität der Beteiligung der Sozialpartner am Europäischen Semester und der Aufbau- und Resilienzfazilität (ARF).
 

Die Aufbau- und Resilienzfazilität, die ursprünglich als Reaktion auf die COVID-19-Pandemie eingeführt wurde, wurde verlängert (bis 2026) und bildet den Eckpfeiler des ehrgeizigen NextGenerationEU-Pakets.  Sie wurde in den Rahmen des Europäischen Semesters für die Koordinierung der Wirtschafts- und Sozialpolitik integriert. Die Europäische Kommission fordert die EU-Mitgliedstaaten auf, die Sozialpartner am Europäischen Semester zu beteiligen, und in der Verordnung über die ARF heißt es, dass sie bei der Ausarbeitung und Umsetzung der nationalen Aufbau- und Resilienzpläne zu konsultieren sind.
 

In diesem Bericht werden zwei kritische Dimensionen der Beteiligung der Sozialpartner am Europäischen Semester untersucht. Zunächst wird untersucht, in welchem Umfang die nationalen Sozialpartner in die Gestaltung und Umsetzung der Aufbau- und Resilienzpläne und ganz allgemein in sozialpolitische Maßnahmen, die direkt von diesen Plänen beeinflusst werden, eingebunden wurden. Zweitens werden allgemeine Trends bei der Umsetzung der nationalen Aufbau- und Resilienzpläne ermittelt, wobei ein besonderer Schwerpunkt auf Maßnahmen im Bereich der Sozialpolitik liegt.
 

Politischer Kontext

Die EU-Institutionen erkennen die entscheidende Rolle der Sozialpartner bei der Koordinierung und Umsetzung der Wirtschafts- und Beschäftigungspolitik an. Mehrere politische Dokumente, die im Rahmen des Europäischen Semesters 2024 veröffentlicht wurden, bestätigen dies. Im Jahresbericht zum nachhaltigen Wachstum (veröffentlicht am 21. November 2023) wird die Bedeutung des sozialen Dialogs und der Einbeziehung der Sozialpartner in das Europäische Semester hervorgehoben, insbesondere im Hinblick auf den ökologischen und den digitalen Wandel.
 

Im Februar 2024 veröffentlichte die Kommission die Halbzeitbewertung der Aufbau- und Resilienzfazilität, in der ihre Relevanz, Wirksamkeit, Effizienz, Mehrwert und Kohärenz untersucht wurden. In der anschließenden Mitteilung der Kommission über die Stärkung der EU durch ehrgeizige Reformen und Investitionen wird die Einbeziehung der Sozialpartner als Schlüsselfaktor bei der Planung und Umsetzung von Maßnahmen hervorgehoben, während gleichzeitig auf erhebliche Unterschiede in der Art ihrer Beteiligung zwischen den Mitgliedstaaten hingewiesen wird. Darin wird zudem die Unzufriedenheit einiger Interessengruppen – einschließlich der Sozialpartner – mit dem Grad ihrer Beteiligung aufgezeigt und die zentrale Rolle der Sozialpartner bei der Umsetzung von arbeitsmarkt- und sozialpolitischen Reformen unterstrichen.
 

In der im Dezember 2023 veröffentlichten Empfehlung des Rates zur Stärkung des sozialen Dialogs in der Europäischen Union (C/2023/1389) wird ausdrücklich auf das Europäische Semester Bezug genommen, und es wird bekräftigt, dass die Mitgliedstaaten die Sozialpartner im Einklang mit den nationalen Rechtsvorschriften und/oder Gepflogenheiten auf sinnvolle Weise in die Gestaltung und Umsetzung beschäftigungs- und sozialpolitischer Maßnahmen sowie gegebenenfalls wirtschaftlicher und anderer öffentlicher Maßnahmen einbeziehen müssen.
 

Im Jahr 2024 wurden neue Regeln für die wirtschaftspolitische Steuerung der EU festgelegt und der Stabilitäts- und Wachstumspakt reformiert (durch die Verordnung (EU) 2024/1263). Die Mitgliedstaaten haben sich verpflichtet, nationale mittelfristige finanzpolitische Strukturpläne vorzulegen, in denen Strategien für einen nachhaltigen und schrittweisen Abbau der öffentlichen Verschuldung, integratives Wachstum, Strukturreformen und Investitionen mit Schwerpunkt auf den gemeinsamen Prioritäten der EU dargelegt werden. Wie in der Verordnung über die Aufbau- und Resilienzfazilität wird auch im überarbeiteten EU-Rahmen für die wirtschaftliche Governance die Konsultation der Sozialpartner empfohlen, bevor die mittelfristigen Ziele der Kommission vorgelegt werden.
 

Wichtigste Erkenntnisse

  • Die Mitgliedstaaten haben Governance-Strukturen für die Umsetzung der Aufbau- und Resilienzpläne eingerichtet, einschließlich Mechanismen für die Einbindung der Sozialpartner. Im Rahmen der Forschung wurden drei wesentliche Arten von institutionellen Rahmenbedingungen für die Einbeziehung der Sozialpartner ermittelt: bestehende Institutionen des zweigliedrigen und dreiseitigen sozialen Dialogs, Gremien oder Arbeitsgruppen, die für das Europäische Semester oder die Umsetzung des Aufbau- und Resilienzplans eingerichtet wurden, sowie Ad-hoc-Konsultationsprozesse.
     
  • In diesem Bericht werden die Mitgliedstaaten in drei Governance-Cluster mit unterschiedlichen Merkmalen der Beteiligung der Sozialpartner eingeteilt. Der Cluster Industriedemokratie (Österreich, Dänemark, Finnland, Deutschland, die Niederlande und Schweden) bevorzugt weniger institutionalisierte Kanäle für die Einbeziehung der Sozialpartner. Sowohl das staatsorientierte Cluster (Belgien, Frankreich, Griechenland, Italien, Luxemburg, Portugal, Slowenien und Spanien) als auch das marktorientierte Cluster (Bulgarien, Kroatien, Zypern, Tschechische Republik, Estland, Ungarn, Irland, Lettland, Litauen, Malta, Polen, Rumänien und die Slowakei) weisen eine größere Vielfalt auf und stützen sich auf bestehende Einrichtungen des sozialen Dialogs und spezielle Gremien oder Arbeitsgruppen für die Beteiligung der Sozialpartner. Der letztgenannte Ansatz hat sich in einigen Ländern, z. B. in Polen und Rumänien, nicht als wirksam erwiesen, um die Beteiligung der Sozialpartner zu gewährleisten.
     
  • Der Grad der Zufriedenheit der Sozialpartner hinsichtlich der Qualität ihrer Beteiligung am Europäischen Semester und an der Gestaltung und Umsetzung der Aufbau- und Resilienzpläne ist unterschiedlich. Während die Sozialpartner in einigen wenigen Ländern mit einem starken Rahmen für den sozialen Dialog mäßig zufrieden sind, beschreiben die Sozialpartner in den meisten Mitgliedstaaten ihre Beteiligung als eine Pro-Forma-Maßnahme.
     
  • Die Sozialpartner in einigen wenigen Mitgliedstaaten berichten, dass sie überhaupt nicht oder kaum an der Gestaltung und Umsetzung der Aufbau- und Resilienzpläne beteiligt waren. In den meisten Mitgliedstaaten bemängeln die Sozialpartner spezifische Mängel bei der Konsultation, darunter den Mangel an ausreichender Zeit für einen angemessenen und sinnvollen Austausch und die mangelhaften Vorabinformationen.
     
  • Der neue Rahmen für die wirtschaftspolitische Steuerung vom April 2024 hat bei den Sozialpartnern Bedenken hervorgerufen. Obwohl in der Verordnung (EU) 2024/1263 die Notwendigkeit einer Konsultation der Sozialpartner vor der Vorlage der mittelfristigen strukturellen finanzpolitischen Plänen gesetzlich verankert ist, befürchten die Sozialpartner, dass die vorübergehende Ausnahmeregelung, die es den Mitgliedstaaten erlaubt, bei der Ausarbeitung der Pläne nur eine freiwillige Konsultation durchzuführen, ein negatives Signal aussenden könnte. Die Arbeitgeberverbände erkennen an, dass eine größere Flexibilität im ersten Jahr der Umsetzung den Mitgliedstaaten helfen kann, die Mittel effizient zuzuweisen. Sie weisen jedoch darauf hin, dass dieser Handlungsspielraum zur Verfolgung politischer – und auch sozialer – Strategien, umsichtig und konsequent genutzt werden sollte.
     

Empfehlungen für die Politik

  • Da die Umsetzung der nationalen Aufbau- und Resilienzpläne in die letzte Phase eintritt und das Ende im Jahr 2026 in Sicht ist, sollte die Einbindung der Sozialpartner gestärkt und qualitativ verbessert werden. Dies wird dazu beitragen, eine möglichst wirksame Nutzung der Mittel im Rahmen des Aufbauintruments NextGenerationEU sicherzustellen, indem die wichtigsten Wirtschaftszweige in den Mittelpunkt gestellt und eine starke soziale Dimension in den doppelten Übergang einbezogen werden.
     
  • Angesichts der derzeitigen geopolitischen Unsicherheit und anderer Herausforderungen für die Integration in die EU, wie z. B. des demografischen Wandels, ist die wirksame Einbindung der Sozialpartner von entscheidender Bedeutung, um ein Gefühl der Eigenverantwortung und Legitimität zu fördern und die erfolgreiche Umsetzung von Maßnahmen zur Bewältigung dieser Veränderungen sicherzustellen. Um dies zu erreichen, müssen laufende Initiativen wie die Empfehlung des Rates von 2023 zur Stärkung des sozialen Dialogs, die Erklärung von La Hulpe und der am 5. März 2025 unterzeichnete Pakt für den sozialen Dialog genutzt werden, um bestehende Schwächen bei der Einbeziehung der Sozialpartner in die Politikgestaltung zu beseitigen.
     
  • Die Einbeziehung der Sozialpartner sollte auf allen Ebenen verbessert werden, um zur Verwirklichung der Ziele des Rahmens für die wirtschaftspolitische Steuerung von 2024 beizutragen. Insbesondere sollte vor der Einreichung von mittelfristigen strukturellen finanzpolitischen Plänen eine Konsultation der Sozialpartner unter Berücksichtigung der sektoralen, regionalen und lokalen Dimensionen sichergestellt werden. Durch eine stärkere Einbindung der Sozialpartner kann die EU einen inklusiveren und wirksameren politischen Entscheidungsprozess fördern, was letztlich zu einer erfolgreicheren Umsetzung der Aufbau- und Resilienzpläne und einer stärkeren europäischen Wirtschaft führen kann.

The report contains the following lists of tables and figures.

List of tables

  • Table 1: Allocation of RRF funds in the industrial-democracy-based governance cluster (EUR billion)
  • Table 2: Allocation of RRF funds in the state-centred governance cluster (EUR billion)
  • Table 3: Allocation of RRF funds in the market-oriented governance cluster (EUR billion)
  • Table 4: Main results per cluster of countries and in the EU-27 (%)
  • Table 5: Institutional settings for social partner involvement in the industrial-democracy-based governance cluster
  • Table 6: Institutional settings for social partner involvement in the state-centred governance cluster
  • Table 7: Institutional settings for social partner involvement in the market-oriented governance cluster

List of figures

  • Figure 1: Allocation of RRF funds as a share of GDP in the industrial-democracy-based governance cluster (%)
  • Figure 2: Milestones and targets fulfilled in the industrial-democracy-based governance cluster (%)
  • Figure 3: RRF disbursement in the industrial-democracy-based governance cluster as a share of RRF allocation (%)
  • Figure 4: Social expenditure as a share of the total estimated expenditure in the industrial-democracy-based governance cluster (%)
  • Figure 5: Breakdown of social investments by policy area in the industrial-democracy-based governance cluster (% of RRF social envelope)
  • Figure 6: Allocation of RRF funds as a share of GDP in the state-centred governance cluster (%)
  • Figure 7: Milestones and targets fulfilled in the state-centred governance cluster (%)
  • Figure 8: RRF disbursement in the state-centred governance cluster as a share of RRF allocation (%)
  • Figure 9: Social expenditure as a share of the total estimated expenditure in the state-centred governance cluster (%)
  • Figure 10: Breakdown of social investments by policy area in the state-centred governance cluster (% of RRF social envelope)
  • Figure 11: Allocation of RRF funds as a share of GDP in the market-oriented governance cluster (%)
  • Figure 12: Milestones and targets fulfilled in the market-oriented governance cluster (%)
  • Figure 13: RRF disbursement in the market-oriented governance cluster as a share of RRF allocation (%)
  • Figure 14: Social expenditure as a share of the total estimated expenditure in the market-oriented governance cluster (%)
  • Figure 15: Breakdown of social investments by policy area in the market-oriented governance cluster (% of RRF social envelope)
  • Figure 16: Breakdown of social investments by policy area per cluster of countries and in the EU-27 (% of RRF social envelope)
Number of pages
64
Reference nº
EF24030
ISBN
978-92-897-2466-1
Catalogue nº
TJ-01-25-003-EN-N
DOI
10.2806/2118040
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